Die Chance war denkbar günstig. Hoffenheim hatte gegen Mainz verloren, Stuttgart gegen die Bayern und Bochum gegen Schalke. Mit Ausnahme der Gelsenkirchener haben also alle direkten Konkurrenten am 23. Spieltag Punkte liegen lassen. Mit einem Sieg in Leverkusen hätte Hertha sich etwas Luft zum Keller verschaffen und den Druck vor dem nächsten Heimspiel nehmen können. Stattdessen sorgten die Berliner mit ihrem Misserfolg bei Bayer für eine historische Tabellenlage. Die letzten vier Teams liegen mit 19 Zählern punktgleich, Hertha hat als Vierzehnter nur einen Zähler mehr. So eng war man unten zu so einer späten Saisonphase seit der Einführung der 3-Punkte-Regel 1996 noch nie zusammen.
So wurde die Chance verpasst, vor dem nächsten schwierigen Heimspiel gegen Mainz neues Selbstbewusstsein zu tanken und sich etwas den Druck zu nehmen.
Wenn man gegen Mainz verliert, und dann auch die Woche drauf beim direkten Konkurrenten Hoffenheim, würden die Berliner Ende März wohl auf einem Abstiegsplatz in die Länderspielpause gehen.
Zu langsam, zu harmlos – Hertha fährt siebte Auswärtsniederlage in Folge ein
Die Berliner wirkten gegenüber der zugegebenermaßen furios aufspielenden Werkself viel zu brav. Jedes Mal, wenn Leverkusen das Tempo anzog, zeigte sich, dass Hertha einfach nicht mithalten konnte.
Vor allem die linke Abwehrseite erwies sich als Schwachstelle. Die war Leverkusens Einfallstor beim 1:0 in der 12. Minute als Azmoun nach Vorarbeit von Frimpong aus fünf Metern einschob. Das gleiche Spiel neun Minuten später, diesmal trifft Frimpong selbst zum 2:0 – der Vorstoß wieder über Herthas linke Seite.
Nach der Pause keine Veränderung. Diaby erhöht in der 61. Minute auf 3:0. Mit Lukebakios Foulelfmeter zum 1:3 keimt in der 67. Minute kurz Hoffnung auf. Doch Bayers Antwort folgt prompt mit Adlis Treffer zum 4:1-Endstand (73.).
Kempf: „Nichts Halbes und nichts Ganzes“
Man hatte zu viele einfache Ballverluste, zu viele Stellungsfehler, so den Gegner eingeladen und am Ende verdient verloren, resümierte Hertha-Trainer Sandro Schwarz nach dem Spiel nüchtern. Man habe gegen Bayer anlaufen wollen, das müsse man dann aber mit einer anderen Intensität machen.
Abwehrmann Marc Oliver Kempf beklagte nach dem Spiel die Unentschiedenheit seines Teams. Entweder man geht vorne richtig drauf oder steht hinten tief, erklärt der Innenverteidiger, die Herthaner seien stattdessen ein bisschen drauf gegangen, ein bisschen nicht und haben so Bayer in die Karten gespielt.
Kapitän Marvin Plattenhardt fiel darüber hinaus Herthas mangelnde Torgefährlichkeit auf. Man habe nichts kreiert, kaum Torchancen gehabt. Auf die Frage, ob seine Mannschaft „zu nett“ gewesen sei, antwortete der Hertha-Kapitän: „Ein Stück weit schon.“
Elf Endspiele für Hertha
Man müsse sich in den nächsten Wochen wieder richtig reinfuchsen, beschwört Plattenhardt. Man dürfe nichts schönreden, die Situation sei durchaus gefährlich. Man dürfe sich nicht immer darauf verlassen, dass die direkte Konkurrenz auch verliert, so Herthas Abwehr-Routinier weiter.
Marc Oliver Kempf glaubt dagegen nicht, dass die Niederlage in Leverkusen große Auswirkungen auf den restlichen Saisonverlauf habe. Man habe sich bei Hertha in den letzten Wochen zusammengerauft und gefestigt. Er erwarte, dass die Hertha-Elf gegen Mainz wieder das abrufe, was man beim letzten Heimspiel gegen Augsburg abgerufen habe, so Kempf.
Der FSV ist freilich nochmal ein deutlich stärkerer Gegner als Augsburg. Die Mainzer haben ihre letzten vier Spiele in Folge gewonnen.